Tennis – die Liebe für das Leben

Hans-Günther Trott gibt der Tennis-Szene in der Wetterau ein Gesicht. Als Trainer, als Multi-Funktionär, als ein positiv Besessener. Er ist Vorsitzender des Kreises Wetterau/Hochtaunus.

Ein Leben für den weißen Sport: Hans-Günther Trott, Vorsitzender des Tenniskreises Wetterau/Hochtaunus, ist seit 45 Jahren als Trainer und Funktionär tätig.

Die Zahlen sind rückläufig. Seit Jahren. Genau genommen seit 1995 schon. 2,3 Millionen Mitglieder waren seinerzeit im Deutschen Tennis-Bund registriert, heute sind es nur noch 1,4 Millionen. Hans-Günter Trott kennt die Phasen der Entwicklung. Alle. Vom elitären, sogenannten weißen Sport, über den Becker-Boom hin zum Volkssport, der zuletzt zunehmend an Bedeutung verloren hat. Als Teenager hatte Trott Anfang der 60er Jahre seine Liebe zum Tennis entdeckt; eine Leidenschaft, die ihn bis heute nicht losgelassen hat, eine »Entscheidung für das Leben«, wie er sagt. »Der Geruch der Bälle, des Filzes, wenn man eine Dose öffnet, fasziniert mich wie am ersten Tag.«

Balljunge war er im Kurpark von Bad Nauheim, hatte genau hingesehen, wenn sich die Herren-Riege in den langen weißen Hosen zum Match verabredet hatte. 50 Pfennig, mal eine Kugel Eis gab’s zur Belohnung. Georg Kowarek, der Verwalter der Anlage, hatte ihn immer mal wieder auf den Platz gelassen. Mit 21 Jahren wurde er Sportwart beim TC Rot-Weiß. Tennis boomte in dieser Zeit, öffnete sich, »nicht erst in der Ära Becker/Graf« sagt er heute. In der Region hatte sich Trott schnell einen guten Namen gemacht als Spieler und Trainer. Zunächst in Bad Nauheim, wo der heute 67-Jährige geboren wurde, später in Rosbach und Ober-Mörlen, wo er als Coach die Entwicklung der Hallen geprägt hat. Mit Rot-Weiß Gießen spielte er einst in der Regionalliga, später auch in Bad Nauheim.

Mehr als 25 Jahre lang fungierte Trott parallel als Kreisspielleiter, erstellte Terminpläne noch aufwendig per schriftlicher Aufzeichnungen. Heute ist er Bezirkssportwart, Bezirksspielleiter, Landesspielleiter, Kadertrainer, gibt Privat-Unterricht, fungiert ab und an als Oberschiedsrichter und ist als Kreisvorsitzender omnipräsent. Summa summarum ist Trott seit 45 Jahren ehrenamtlich für seinen Sport aktiv, mit der Ehrennadel in Gold mit Platinrand wurde er vom Verband ausgezeichnet. »Die Faszination hat mich nie losgelassen. Und ich will den Sport auf allen Ebenen unterstützen und vorantreiben«, sagt er. Der Vormittag gehört der Administration. Da sitzt Trott zu Hause in Butzbach am Computer, nachmittags steht er weiterhin auf dem Platz, meist in Ober-Mörlen und Rosbach, er hält den Draht zu jungen Leuten. »Und solange die Kinder noch mit Spaß bei der Sache sind, und mir nicht ›Opa, bleib zu Hause‹ hinterher rufen, mache ich weiter.«

Beim Besuch in der WZ-Redaktion kommt Hans-Günter Trott ins Plaudern. Er spricht über Vergangenes, über Künftiges, über…

. . . die Erben von Boris Becker und Steffi Graf: »Ich sehe derzeit nur einen einzigen Spieler, der alles mitbringt, um eine vergleichbare Euphorie entfachen zu können. Alexander Zverev hat das Zeug dazu. Grundsätzlich hat das aber keineswegs mit schlechter Arbeit im Verband oder mangelnder Förderung zu tun. Wir leben heute in einer anderen Zeit, mit verlagerten Interessen, Reizen und Hemmnissen. Das fängt schon bei schulischen Gründen an, wodurch zeitliche Grenzen gesetzt sind. Zudem muss finanziell viel Bereitschaft und Eigeninitiative von den Eltern aufgebracht werden. Der Weg zur Spitze wird den Spielern nicht geschenkt. Das ist in anderen Ländern sicher etwas anders geregelt.«

. . . die Entwicklung im Kreis Wetterau/Hochtaunus: »Die Talsohle scheint durchschritten. Wir im Kreis kennen auch kein Nachwuchsproblem und können vielmehr Stolz sein auf Qualität und Quantität. Wir haben gute Trainer und Eltern, die bereit sind Zeit und Geld zu investieren. Da gibt es andere Beispiele. Im Kreis Limburg/Weilburg sieht diesbezüglich die Welt ganz anders aus. Stabile Zahlen haben wir auch in der Jugend im Bezirk. Es ist aber sicher richtig, dass jüngere Erwachsene heutzutage eine andere Interessenslage haben als noch vor einigen Jahren. Die Affinität zur Vereinsbindung ist nicht mehr so hoch. Beruf und Familie haben Vorrang. Um so wichtiger ist die Arbeit mit Jugendlichen. Wer als Verein die Zeichen der Zeit nicht erkennt und mitzieht, wird aus der Szene verschwinden. Die Zahl der Fusionen nimmt bereits spürbar zu. Zugleich haben wir aber auch Bewegung in der Szene, beispielsweise in Form von Kooperationen mit Schulen. Aber auch hier müssen Vereine erst Türen öffnen und Hindernisse überwinden. Man muss sehr früh anfangen und kann nicht erst Zehnjährige ansprechen, wenn diese sich längst für eine andere Sportart entschieden haben.«

. . . den Spielbetrieb in Sechser- und Vierer-Mannschaften: »Ich war entsetzt, als man einst Vierer-Mannschaften von oben herab diktieren wollte und bin froh, dass ein Kompromiss gefunden wurde und die Vereine selbst entscheiden können, auch, ob sie auch intern ein Splitting vornehmen, je nach Potenzial. Die Möglichkeit, Jahr für Jahr wechseln zu können, bringt organisatorische Probleme mit sich, ist allerdings den Notwendigkeiten geschuldet. Zunehmend werden Spielgemeinschaften gegründet; leider nicht im eigentlichen Sinne, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten, sondern zur Leistungsoptimierung, um die besten Spieler zusammen zu haben.«

. . . Modernisierungsprozesse: »Der Sport muss sich anpassen. Natürlich. Man wird beispielsweise einen zeitlich kalkulierbaren Rahmen schaffen müssen. Einhergehend ist flächendeckend eine einheitliche Zählweise erforderlich. Wird beispielsweise der dritte Satz ausgespielt? Oder muss ein Matchtiebreak gespielt werden, um Marathon-Matches abzukürzen und den Wettkampf zeitlich zu begrenzen? Ist es einem 17-Jährigen zuzumuten, zu einem Hessenliga-Spiel mit einem Einzel und einem Doppel von Darmstadt nach Kassel zu fahren, oder müssen hier andere Lösungen gefunden werden? Ein erster Schritt wurde mit der Einführung des Turnierbetriebs schon unternommen. Früher wurde auf eine auf wenige Wochen begrenzte Medenrunde hintrainiert. Heute ist eine Turnierszene etabliert, die über zwölf Monaten Möglichkeiten zum Wettbewerb bietet.«

. . . Leerstand auf den Plätzen: »Die Senioren spielen morgens noch immer. Was fehlt, sind die klassischen Hausfrauen, die gespielt haben, nachdem die Kinder in der Schule waren. Heutzutage sind die Frauen berufstätig, zumindest in Teilzeit. Das heißt: Auch dieses Klientel fällt in die Rush-Hour zwischen 17 und 20 Uhr. Vor einigen Jahren gab es auf vielen Anlagen nach 17 Uhr kein Jugendtraining, weil die Erwachsenen die Anlagen für sich beanspruchten. Die veränderten schulischen Voraussetzungen erfordern aber ebenso Flexibilität. Ein positives Beispiel ist die HTG Bad Homburg, die bis zu vier Plätze den Jugendlichen am Abend freihält. Andere Vereine wiederum sind restriktiv und verkennen die Bedeutung der Jugendarbeit. Was den Leerstand angeht, kann man versuchen, über Kooperationen mit Schulen oder kommerzielle Angebote im Bereich Fitness/Aerobic Menschen zu locken.«

. . . zweckentfremdete Tennishallen: »Da blutet mir das Herz. Mancherorts wird heute Indoor-Soccer gespielt, in anderen haben sich Spielhallen für Kinder etabliert. In Hösbach hat die Stadt die Halle als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Immer mehr Hallen schließen, was die Trainingsarbeit und die Durchführung von Turnieren im Winter natürlich erschwert. Vielleicht führt die Entwicklung wieder hin zur Traglufthallen, wie es sie einst in Bad Nauheim gab, wie sie heute in Seulberg, Bad Homburg oder auch Bad Vilbel zu sehen sind.«

. . . seine Empfehlung an Einsteiger und Ambitionierte: »Die ersten Schritte sollten unter einem guten Trainer erfolgen; auch wenn das zu Beginn etwas teurer erscheint. Es lohnt sich. Einzeltraining ist effektiver, Gruppentraining sicherlich motivierender. Es sollte kombiniert werden. Wer Profi werden will, muss eine Kombination zwischen Sport und Schule finden. Das ist ein komplexes Thema, und da kann auch der Weg über die USA richtig sein. Man muss sich allerdings auch bewusst machen, dass dieser Weg finanziell aufwendig ist.«

. . . die Szene in der Wetterau: Bad Vilbel aus dem Bezirk Frankfurt ist das Aushängeschild. Ich finde es gut, dass man sich – gestützt auf einen finanziellen Grundstock und viel Engagement – sportlich nach oben orientiert. Dass im Taunus mancher Klub die Abwanderungen von Talenten in Richtung Bad Vilbel beklagt, ist normal. Das ist doch im Fußball nicht anders. Hinter Bad Vilbel sehe ich im Kreis kein vergleichbares Potenzial. Da ist die Wetterau die kleine Schwester des finanzstärkeren Hochtaunuskreises. Aber auch dort ist die Teilnahme an höheren Ligen nicht immer gewünscht. In der Wetterau fehlt es, vielleicht abgesehen von Friedberg und Bad Nauheim, an Anlagen und der entsprechenden Infrastruktur. Gerade im östlichen Kreis haben es Vereine extrem schwierig, da gibt es schon Probleme, Trainer zu bekommen.«

Artikel: http://www.giessener-allgemeine.de/sport/lokalsport-wz/art1435,249926

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(Foto: Nici Merz) 04. Mai 2017, 07:00 Uhr Michael Nickolaus

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